Die Alzheimer Gesellschaft Hamburg hat zum ersten Fachtag in Hamburg am 03. März 2023 zum Thema Frontotemporale Demenz (FTD) Angehörige, Fachkräfte und weitere Interessierte in den Bürgersaal Wandsbek eingeladen. Die Besucher konnten sich ein Bild über die Krankheit machen. Impulse für Beglei-tungs- und Betreuungsangebote konnten durch den Austausch verschiedener Fachexperten, Angehörige und Betroffene gesetzt werden.
170 Menschen aus den unterschiedlichen Fach- und Interessensrichtungen wie Betroffene, Angehörige, der Beratung, der Pflege, den Behörden sowie aus dem medizinischen Bereich kamen vergangenen Freitag in den Bürgersaal Wandsbek zusammen, um mehr über das Krankheitsbild FTD und Möglichkeiten des Umgangs zu lernen. Mit viel positiver Energie hat Anne Woywod, Vorsorgeanwältin und Stiftungsvorstand der Alzheimer Gesellschaft Hamburg e.V., durch den Tag geleitet.
Frontotemporale Demenz:
Etwa 3 bis 9 % aller Demenzen in Deutschland entfallen auf eine FTD. In Deutschland be-trifft dies ca. 30.000 Menschen. Genaue Zahlen für Hamburg gibt es nicht, unsichere Schätzungen gehen von ca. 400 – 500 Personen aus. Mit einer FTD sind für die Betroffe-nen besondere Anforderungen verbunden: Die Erkrankung tritt durchschnittlich zwischen dem 50. und 60. Lebensjahr auf. Deren Symptome unterscheiden sich jedoch deutlich von anderen Demenzen. Das macht die Diagnose recht schwierig. Im Vordergrund stehen hier weniger Störungen der Gedächtnisfunktion oder der Orientierung, sondern vielmehr der Persönlichkeit und Sprachfähigkeit, aber auch Verhaltensveränderungen wie z.B. Unnah-barkeit, Apathie, Reizbarkeit, zwanghaftes Handeln oder Aggressivität.
Die 51- jährige Angehörige, Mareike L., eines an FTD erkrankten Ehemanns und Mutter von 12-jährigen Zwillingen berührte mit ihren persönlichen Erfahrungen die Herzen des Publikums.
Des Weiteren war der Vortrag einer erst kürzlich an Frontotemporalen Demenz Betroffenen für das Publikum sehr bewegend. Sie stellte dar, was sich seit Diagnose in ihrem Leben verändert hat und welche Weichen für den weiteren Krankheitsverlauf gestellt werden müssen.
Erfrischend anders war der Vortrag von der jungen Psychologin und Forscherin der Uni Klinik Ulm, Frau Dr. Sarah Straub, mit einer Mischung aus Fachwissen, Praxiserfahrung und Empathie. Ihr Vortrag spendete etwas Hoffnung, dass es der Therapieforschung in Zukunft gelingen wird, genetische Varianten zu behandeln.
Aus der Praxis stellte Stefanie Klinowski, Projektleiterin Ankerpunkt Junge Demenz & Fortbildungen der Alzheimer Gesellschaft Hamburg e.V., die Unterstützung für Menschen mit FTD durch das Projekt vor, wies auf Bedarfe und Unterstützungsmöglichkeiten für Erkrankte und Angehörige hin und appellierte an die Politik, bessere Versorgungsstrukturen zu schaffen.
Michael Günther, Pflegedienstleiter des Hauses Linde vom Pflegen und Wohnen Holstenhof aus Hamburg, berichtete über die Betreuung in der stationären Pflege. Er machte Mut, dass auch der Umgang mit Menschen mit FTD im offenen Bereich möglich sei und auch „Quereinsteiger“ in der Pflege ein gutes Gespür für Erkrankte zeigen. Ein detaillierter Aufnahmeprozess mit Überleitung der bisherigen Versorger und eine gute Alltagsbegleitung sei eine notwendige Basis für einen guten Umzug in die stationäre Einrichtung. In vielen Fällen sei, laut Günther, ein geschlossenes stationäres Umfeld nicht erforderlich.
Mit dem Blick auf die vielseitigen Angebote des Vereins „wohlBEDACHT“ in München wurden die TeilnehmerInnen in einen Blickwechsel genommen. Ausgangspunkt aller Angebote ist, dass sich diese an den individuellen Anforderungen der NutzerInnen orientieren und nicht umgekehrt. Leitprinzipien des Projektes sind: „Alles ist möglich und Freiheit vor Sicherheit!“ In der Praxis führt dies dazu, dass die Angebote sich beim Start oftmals nicht in den bestehenden leistungs- ordnungsrechtliche Rahmen bewegen. Diese prozessuale Her-angehensweise ist aber genau das Erfolgsrezept, warum die Angebote in der Praxis gut funktionieren. „Manchmal ist es einfacher ein paar Wochen das Unmögliche möglich zu machen, um dann eine einen entspannten Besucher der Tagespflege zu haben- immer die Betroffenen und ihre Bedürfnisse im Fokus“, betont Annette Arand, Projektleiterin von wohlBEDACHT und gleichzeitig Gründerin der Tagespflege Rosenheim. Eine verschränkte Tag- und Nachtpflege, die für viel Entlastung im Alltag von Angehörigen und Betroffenen sorgt, gilt als besonders innovativ.
In der Diskussionsrunde mit den Fachleuten Dr. M.Axel Wollmer (Chefarzt Klinik Gerontopsychatrie Asklepios Klinik Nord), Ekkehard Janas (Geschäftsführer Tagespflege Poppenbüttel, Hamburg), Johannes van Dijk (Fachreferent Gerontopsychatrie, Wagner-Holding), Eckhard Cappell (Leitung Fachabteilung Senioren und Pflege der Sozialbehörde, Hamburg), Michael Günther (Pflegedienstleiter Haus Linde / Pflegen & Wohnen Holstenhof, Hamburg) und Annette Arand (wohlBEDACHT e.V., München) gab es einige konkrete Vorschläge und Ideen, wie in Zukunft neue Wege eingeschlagen werden können, um die Versorgungsstrukturen in Hamburg zu verbessern.
Jörn Wieking, Geschäftsführer der Alzheimer Gesellschaft Hamburg e.V. „Wir werden die Impulse des Fachtages aufnehmen und hoffen sehr, dass Politik und Kostenträger daraus entstehende Vorschläge für eine bessere Begleitung der Betroffenen und Angehörigen in Hamburg unterstützen wird“. Ein besonderes Highlight war die musikalische Begleitung von Dr. Sarah Straub u.a. mit ihrem berührenden Song „Schwalben“, zu dem Thema Demenz.
Ein herzlicher Dank geht an die Kooperationspartner und die Förderer: Die Hella-Janson-Stiftung, BARMER, das Bezirksamt Wandsbek/ Generationen-Freundliches, der Leben mit Demenz in Hamburg und die Deutsche Alzheimer Gesellschaft e.V. – ohne die diese kostenfreie Veranstaltung nicht möglich gewesen wäre.
Die Präsentationen der Vorträge und weitere Informationen finden Sie unten…
Für Rückfragen und weitere Informationen zum Thema und zur FTD-Fachgruppe:
Alzheimer Gesellschaft Hamburg e.V.
Stefanie Klinowski, CCM Junge Demenz / FTD
Tel.: 040 – 88 14 177 0
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